Gerade für kleine und mittelständische Unternehmen ist die Unternehmensnachfolge ein existenzielles Thema, dessen Bedeutung rasch zunimmt. Etwa 40 Prozent der Unternehmen finden aktuell keinen Nachfolger. „Muss ein Betrieb aufgrund fehlender Nachfolge aufgegeben werden, wird immer auch ein Stück „Infrastruktur“, also Lieferketten, Absatzstrukturen und Umfeldunternehmen vernichtet“, so Steffen Hartung, der Geschäftsführer der Bürgschaftsbank Berlin. Eines der Hauptprobleme bei Unternehmensnachfolgen besteht im Matching, das heißt in der Organisation des Zusammentreffens von Verkäufer und Käufer. Hier will die Nachfolgezentrale Berlin eine Lösung anbieten.
Die Nachfolgezentrale Berlin ist ein Projekt der Bürgschaftsbank Berlin in Partnerschaft mit der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) ,der Handwerkskammer (HWK) sowie der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe.
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Mit dem Matching-Portal wird für Berliner Unternehmer, die einen Nachfolger suchen, eine tatsächlich gänzlich neue Form des Kennenlernens geschaffen. Und das geht so: Sie melden Sie auf der Webseite www.nachfolgezentrale.berlin an und füllen die dort erfragten Parameter aus. Anschließend werden Sie von einem Mitarbeiter persönlich angerufen, um offenen Fragen zu klären. Erst dann werden Sie für den Nachfolgepool freigeschaltet. Ihre Angaben bleiben jederzeit nach außen unsichtbar, wodurch eine absolut vertrauliche Behandlung gewährleistet ist. Die erfassten Daten werden anschließend über einen Algorithmus mit den Daten der im System befindlichen potenziellen Nachfolgeinteressenten abgeglichen. Gibt es Treffer, hilft Ihnen das Team bei der Vermittlung eines Ersttermins. Auch nach dem Matchmaking bleibt die Nachfolgezentrale bei Bedarf auch Begleiter des Prozesses, aber Pflichtvermittlungen zu Steuerberatern, Rechtsanwälten wird es unter keinen Umständen geben, so Hartung. Hartung weiter: „Bei uns können die Partner Anonymität und Zuverlässigkeit erwarten und das ohne Kosten, denn die Nachfolgezentrale ist kein Geschäftsmodell. Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Energie und Betriebe fördert das Projekt mit jährlich 300.000 Euro.“
Gerade die Sicherung von Anonymität und die Seriosität der bestehenden Plattformen sind aber bislang das Problem.
Die Anonymität der potenziellen Verkäufer und Käufer in der Nachfolgezentrale macht den großen Unterschied zu bereits bestehenden Angebotsplattformen. Unternehmen wissen zu berichten, dass allein die öffentliche Suche nach einem Nachfolger Mitarbeiter und manchmal sogar Lieferanten verunsichern. Deshalb lassen sie häufig lieber die Finger davon, was jedoch die Chance auf einen Kontakt mit einem potenziellen Nachfolgekandidaten verringert.
Die Seriosität des Plattformanbieters ist ebenfalls grundlegend. Unzählige Plattformen auf Social-Media-Kanälen werben um Interessierte für den Kauf oder Verkauf von Unternehmen. Bei diesen offenen Plattformen gibt es weder Anonymität noch eine Garantie dafür, ob reale Kauf- oder Verkaufsabsichten hinter den Angeboten stehen. Manch einer sucht nur einen Marketingkontakt oder betreibt Marktforschung. Deshalb sind auch solche Angebote mit Vorsicht zu genießen.
Die klassischen „zuverlässigen und erfahrenen“ Helfer beim Finden von Käufern oder Verkäufern sind zumeist Beratungsunternehmen oder Makler. Die Vermittlung bzw. die Beratung sind ihr Geschäftsmodell, deshalb sind Kosten unvermeidlich, ohne dass ein Erfolg für ein Matching oder mehr garantiert werden kann.
Auch die Nachfolgezentrale kann den Erfolg nicht garantieren, da dieser im komplexen Nachfolgeprozess von mannigfaltigen Faktoren abhängt. aber aufgrund der Unabhängigkeit der Nachfolgezentrale steht zu erwarten, dass sich über die Partner IHK und HWK sowie aufgrund der Relevanz des Themas schnell viele Unternehmer registrieren. Dadurch kommt der Datenbestandschnell über eine kritische Masse hinaus, und Matchingerfolge werden deutlich wahrscheinlicher als anderswo.
Die Idee für das Projekt Nachfolgezentrale stammt aus Mecklenburg-Vorpommern, wo ebenfalls die Bürgschaftsbank mit den dortigen drei IHK und den zwei HWK bereits seit 2019 am Markt sind und nach eigenen Angaben schon 1.900 Kontakte vermittelt hat.
Die Bürgschaftsbank Berlin hat eine Lizenz des Modells aus Mecklenburg-Vorpommern erworben und spezifische inhaltliche Anpassungen vorgenommen, da in Berlin nicht nur weitaus mehr Unternehmen ansässig sind, sondern sich auch die Branchenstruktur deutlich unterscheidet. Mit einem Team von drei engagierten Experten geht die Nachfolgezentrale an den Start.
Auch in Brandenburg ist eine Nachfolgezentrale in Vorbereitung, um künftig regional ansässige Unternehmer bei der Nachfolgersuche zu unterstützen. Nachfolge- oder Kaufinteressenten, die ihr Unternehmen durch den Erwerb eines Unternehmens erweitern möchten, sind hingegen nicht auf eine Region eingeschränkt. Dadurch steigen die Chancen für mehr erfolgreiche Unternehmensnachfolgen beträchtlich. Ein insgesamt gutes Angebot zu einem wichtigen Thema für Unternehmer in der Metropolregion Berlin-Brandenburg.
Warum nun jedes Land für sich derartige Projekte angeht und die Zusammenarbeit sich auf die Lizenznahmen beschränkt, erschließt sich nicht. Es gibt keinen Beleg dafür, dass Nachfolger und Verkäufer unbedingt aus einer Region kommen müssen.
Die Initiative Nachfolge Ostdeutschland, die ein allgemeines Beratungsportal unter www.NFOst.de betreibt, präferiert Lösungen für alle ostdeutschen Bundesländer, aber bis dahin wird bei den entsprechenden Entscheidungsträgern wohl noch einige Erkenntniszeit gebraucht.